Bialowieza-Urwald

Naturschutzgebiet Bialowieza Der Kampf um Europas letzten Urwald

Stand: 03.08.2017 11:22 Uhr

Die EU hat Polen ungewöhnlich massiv aufgefordert, das Abholzungsverbot im Bialowieza-Urwald einzuhalten. Denn die Regierung in Warschau ignoriert konkrete Anordnungen des EuGH. Theoretisch könnte der Streit bis zu einem Entzug von Polens Stimmrechten führen.

So massiv wie gegen Polen in der Frage zur Abholzung im Naturschutzgebiet Bialowieza ist die EU-Kommission bislang noch nicht gegen ein Mitglied der Europäischen Union vorgegangen. Angesichts von Berichten über illegale Abholzungen in dem Gebiet des letzten großen europäischen Tiefland-Urwalds im Osten des Landes droht die Brüsseler Behörde Polen mit ernsten Konsequenzen.

Sollte sich bestätigen, dass im Bialowieza-Wald weiter Holz gefällt wird, dann verstieße die Warschauer Regierung gegen eine Anordnung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), sagte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde. In diesem Fall solle das bereits wegen Auflagen für die Justiz laufende Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen die Warschauer Regierung ausgeweitet werden.

Rodungsfahrzeuge im Bialowieza-Urwald

Rodungsfahrzeuge im Bialowieza-Urwald. Die polnische Regierung will weiter in dem Biosphärenreservat Bäume fällen.

Verfügung des EuGH

Der EuGH hatte nach Klage der EU-Kommission am vergangenen Donnerstag verfügt, dass im Wald von Bialowieza vorerst keine Bäume mehr im großen Stil gefällt werden dürfen. Es ist ein ungewöhnlich konkretes Eingreifen des Gerichtshofs in die Tagespolitik eines EU-Landes. Ein Verstoß könnte theoretisch bis zu einem Entzug der Stimmrechte Polens führen. "Es geht hier um eine juristische Anordnung, an die sich alle Mitgliedsstaaten halten müssen", sagte die Kommissionssprecherin. "Polen wird seine Haltung vor dem Gerichtshof erklären müssen."

Genauso ungewöhnlich wie die Anordnung des EuGH ist die Reaktion Polens. Die Regierung in Warschau ignoriert den Richterspruch. Umweltminister Jan Szyszko kündigte am Montag an, die polnische Regierung werde in dem Biosphärenreservat weiter Bäume fällen lassen - auch nach der Anordnung eines sofortigen Abholzungsstopps durch den Europäischen Gerichtshof.

Zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten

Der Bialowieza-Urwald ist Unesco-Weltnaturerbestätte und als Biospärenreservat deklariert. Die EU wies das Gebiet in Polen als sogenanntes Natura-2000-Naturschutzgebiet aus - also ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten, das dem Zweck dient, einen länderübergreifenden Schutz für gefährdete wildlebende Pflanzen und Tiere und ihrer Lebensräume zu gewährleisten.

Die EU-Kommission hatte die Warschauer Regierung auf dieser juristischen Grundlage im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens ultimativ aufgefordert, keinen großflächigen Holzeinschlag zuzulassen. Da sich Polen nicht daran hielt, verklagte die EU-Kommission das Land vor dem EuGH und verlangte eine einstweilige Anordnung. Diesem Wunsch sind die obersten Richter der EU nachgekommen. Ein Urteil wird jedoch erst später fallen.

Proteste gegen die Rodung im Bialowieza-Urwald

Zahlreiche Umweltschützer protestierten Ende Juni in Warschau gegen die Baumfällarbeiten im Bialowieza-Urwald.

Kontrolle mit Hilfe von Satellitenbildern

Bisher wurde das Vertragsverletzungsverfahren wegen der umstrittenen Maßnahmen im polnischen Justizwesen getrennt vom Abholzungsverbot in Bialowieza behandelt. Laut EU-Kommission berühre eine mögliche Urwald-Rodung trotz europäischem Verbot "ganz klar die Rechtsprechung, auf denen die Union aufbaut". Demnach wird die Kommission unter anderem mit Satellitenbildern mutmaßliche Baumfällungen in dem Urwald untersuchen.

Bialowieza gilt als der letzte große Urwald Europas und reicht von Polen bis nach Weißrussland. Der Wald erstreckt sich über 150.000 Hektar. Im gesamten Wald sind 20.000 Spezies zu Hause, darunter 250 Vogel- und 62 Säugetierarten - wie zum Beispiel Europas größtes Landsäugetier, der Wisent.

Polens rechtskonservative Regierung hatte im März 2016 beschlossen, eine Verdreifachung der bisher zugestandenen Abholzung zu erlauben. Dies galt auch für Gebiete, die bisher vor Eingriffen jeglicher Art geschützt waren. Gerechtfertigt wurde dies mit der Bekämpfung des Borkenkäfers.

Bialowieza-Urwald

Der Bialowieza-Wald gilt als einer der letzten großen Urwälder Europas und reicht von Polen bis nach Weißrussland.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 24. Juni 2017 um 08:10 Uhr.