Ein Schüler schreibt mit einem Stift.

Startchancenprogramm der Ampel Reicht das für eine "Bildungswende"?

Stand: 11.04.2024 14:53 Uhr

Bei der Debatte über Bildungsgerechtigkeit begeistert sich die Ampel über ihr Startchancenprogramm. Tatsächlich wurden benachteiligte Kinder selten so stark in den Blick genommen. Aus der Opposition kommt Kritik.

Von Kilian Pfeffer, ARD Berlin

Im Parlament um kurz nach neun fliegen die Superlative tief, in der "Primetime des Bundestags", wie Ria Schröder, bildungspolitische Sprecherin der FDP, meint. Man sende ein "Aufbruchssignal für die gesamte Bildungspolitik," sagt sie.

SPD-Parteichefin Saskia Esken lobt das Startchancenprogramm als "das größte Bildungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik". Und Kai Gehring von den Grünen sieht den Anfang einer "Bildungswende".

Immer wieder "Paradigmenwechsel"

Warum wird das Programm noch einmal im Bundestag debattiert, obwohl Bund und Länder es schon längst beschlossen haben? Das sei der Größe und Bedeutung des Programms angemessen, sagt ein Sprecher des FDP-geführten Bundesbildungsministeriums.

Für Oliver Kazcmarek aus der SPD-Fraktion bietet der gemeinsame Antrag der Ampelfraktionen dagegen auch "die Gelegenheit, dem Bildungsministerium noch mal Aufträge zu erteilen". Kazcmarek sieht das Programm sehr positiv, ein "Paradigmenwechsel in mehrfacher Hinsicht". "Paradigmenwechsel" - ein weiterer Begriff, der in der Debatte oft fällt.

Intensive Verhandlungen

Das Startchancenprogramm ist größer und langfristiger angelegt als alles bisher, das ist richtig. Zehn Jahre lang werden rund 4.000 Schulen in Brennpunktgegenden mit insgesamt 20 Milliarden Euro unterstützt. Der Bund übernimmt eine Milliarde pro Jahr, die Länder ebenfalls. Starten soll diese Förderung zum Schuljahr 2024/25. Dafür waren lange und beschwerliche Verhandlungen notwendig, wie die Beteiligten zugaben.

Großer Handlungsdruck

"Noch nie war der Handlungsdruck so groß wie jetzt", sagte Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger im Februar 2024 nach Abschluss der Verhandlungen. Zehntausende verlassen in Deutschland jedes Jahr die Schulen ohne Abschluss.

Auch für die Wirtschaft ist das ein erhebliches Problem. Und bei der zuletzt veröffentlichten PISA-Studie im Dezember 2023 erzielte Deutschland das bisher schlechteste Ergebnis.

Drei Säulen

Das Startchancenprogramm besteht aus drei Programmsäulen. Erstens sollen "moderne und zeitgemäße Lernorte" geschaffen werden, für reine Instandhaltung soll das Geld nicht ausgegeben werden. Die zweite Säule ist ein so genanntes "Chancenbudget", über das Geld sollen die Schulen frei verfügen können. So soll die Schulautonomie gestärkt werden.

Die dritte Säule ist ein Budget, das für multiprofessionelles Personal eingesetzt werden kann. Gewerkschaften fordern diese Teams schon länger. Das Programm soll schon während der Laufzeit evaluiert werden.

Geldverteilung nicht nach Königsteiner Schlüssel

Paradigmenwechsel heißt auch, dass das Geld nicht nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt wird. Der wird durch einen Verteilschlüssel ersetzt, der die Armutsgefährdungsquote, den Migrationshintergrund und das Bruttoinlandsprodukt bei der Vergabe berücksichtigt.

Die Gewerkschaft GEW lobt das als wegweisend: Endlich könne ein Teil der Gelder zielgerichtet dort eingesetzt werden, wo er am meisten benötigt werde: in armen Stadtvierteln und Regionen und für arme Familien.

Kritik von der Opposition

Die Oppositionsparteien üben zum Teil scharfe Kritik. Der CDU-Bildungspolitiker Thomas Jarzombek rechnet vor, dass jede der viertausend geförderten Schulen im Schnitt eine zusätzliche Stelle bekomme. Und fragt provokativ: "Eine Stelle? Was ist denn das für eine Bildungsrevolution?"

Nicole Gohlke von der Linken bemängelt, dass das Startchancenprogramm nichts dazu beitrage, den Lehrermangel zu bekämpfen. Und wirft der Ampelfraktion vor, dass "jeder Panzer, jede Autobahn wichtiger als die Bildung" sei.

"Keine perfekte Bildungswelt"

SPD-Parteichefin Esken zumindest räumt ein, dass durch das Startchancenprogramm keine "perfekte Bildungswelt" entstehe. Eigentlich müssten noch viel mehr Schulen gefördert werden, so Esken. Dennoch sei das Startchancenprogramm ein "guter und starker Anfang".

Balthasar Hümbs, ARD Berlin, tagesschau, 11.04.2024 15:04 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 11. April 2024 um 14:36 Uhr.